Schriftenreihe Ayurveda

29 June 2006

Einweihung Geethanjali Ayurveda Madom

Der folgende Text stammt aus meinem Tagebuch an meine Eltern und handelt von der feierlichen Einweihung eines Ayurveda-Projektes in Kerala.

6. April 2000

Zuerst zur Einleitung, damit ihr genau wisst, wovon ich spreche, von wem und wieso es überhaupt zu diesem Anlass kam.

Hans hat anlässlich eines Vortrages im Rotary Club Kazhakuttom den dortigen Clubpräsidenten Dr. Gopika Remanan kennengelernt. Er ist ein traditioneller Ayurveda-Arzt und hat Hans gebeten, ihm für seinen "Lebenstraum" beratend zur Seite zu stehen. Dr. Gopika hat in Chittattumukku ein Gästehaus gebaut und daneben ein sogenanntes "Madom", einen Ayurveda-Behandlungsraum. Die Konstruktion aus Bambus, Holz und Palmblättern basiert auf genauen Plänen nach alten ayurvedischen Berechnungen. Die Grösse, Höhe, Innenausstattung, wie die Hütte zur Sonne stehen muss und jede Ecke hat seine bestimmte Funktion. In der Hütte ist es nie stickig und heiss, weil ein natürliches Belüftungssystem die Luft zirkulieren lässt. Die Tragbalken sind aus einem ganz speziellen Holz, der Boden aus hart getrocknetem Kuhmist, das Palmdach bis fast zum Boden hinunter gezogen - alles ganz natürlich in Einklang mit der Natur. Kein einziger Nagel wurde verwendet - alles nur natürliche Materialien. Das Madom besteht aus einem rechteckigen Raum mit einer Spezialnische für den Behandlungstisch, Platz für eine grosse Bodenmatte für Massagen mit den Füssen und eine Ecke für Yoga- und Meditation. In einer Altarecke wird für jeden Patienten vor der Behandlung eine spezielle Pooja (Gebet nach hinduistischem Ritus) gemacht. In der Nasszelle wird der Patient gewaschen - mit warmem Kräuterwasser, welches draussen auf dem Holzfeuer (nicht etwa auf Gas) in steinernen Gefässen erhitzt wird. Das Gästehaus ist wie ein modernes Wohnhaus gebaut. Konsultationszimmer des Arztes, Wohnzimmer, Esszimmer, Küche und im Obergeschoss zwei Gästezimmer mit Bibliothek und auf dem Dach eine mit Palmblätter gedeckte Terrasse. Zur gleichen Zeit können also maximal zwei Patienten aufgenommen werden.

Dr. Gopika denkt vor allem an Patienten aus dem Westen, die schwere Leiden und Krankheiten haben und nicht in erster Linie an gestresste und ruhesuchende Westler. Den Patienten bietet er umfassende mehrwöchige Kuren an mit Massagen aus selbst hergestellten Oelen, Medizinen, Kräutertees, Ayurveda-Diäten, Yoga und Meditation. Dr. Gopika ist 24 Stunden für den Patienten da, eine Betreuerin kümmert sich um die Patienten und ist Vermittlerin zwischen Patient und Arzt. Geetha, Dr. Gopikas Frau, schaut für den reibungslosen Ablauf im Gästehaus. Köchin, Putzfrau und ein Gärtner/Security Mann gehören ebenfalls zum Team.

Das also zur Einleitung. Dr. Gopika wollte die Einweihungszeremonie auf den 16. April ansetzen, doch der Astrologe hat ihm den 6. April als besten Tag vorgegeben. Sonst hätten sie wieder mindestens 2 ½ Monate für ein weiteres günstiges Datum warten müssen. Der Astrologe hat auch bestimmt, die Zeremonie dürfe nicht von einem x-beliebigen Dorfpriester gemacht werden. Er müsse sich an "DEN" Ayurveda-Thantri (Oberpriester) in Trichur (Nordkerala) wenden. Obwohl Dr. Gopika ihn nicht kannte, schrieb er ihm einen Brief und bat ihn um die Durchführung der Einweihungszeremonie für sein Ayurveda-Zentrum, wie sein Astrologe es ihm vorgeschlagen habe. Der Thantri nahm die Einladung an und die Vorbereitungen konnten beginnen.

Dr. Gopika lud nur seine engste Familie und Verwandtschaft ein - und uns! Das ist wirklich eine ganz besondere Ehre, dass er uns zur Familie zählt, denn eine solche Pooja haben wohl viele Einheimische noch nie erlebt. Der Thantri residiert in einem Ashram und reist nur sehr selten - er ist also nicht einer dieser "käuflichen" Reisepriester, die für einen Obolus alles und jedes einweihen. Selbst Dr. Gopika war ganz aufgeregt. Er wollte jede Show vermeiden, deshalb lud er, wie sonst bei solchen Anlässen üblich, weder die Presse, noch Reiseveranstalter ein. Auch keine Politiker, Clubkollegen, Nachbarn, Freunde und Bekannte. Und vor allem keine "Videöler" und keinen Fotografen!!! Er kam in unser Haus und lud uns persönlich zum Fest ein. Er brachte uns nach alter Tradition und wie es sich in der Familie gehört, neue Kleider für das Fest. Einen Kerala-Dothi mit Schal (beige und goldene Bordüren) für Hans und einen Kerala-Sari in beige mit Goldstreifen für mich. Zuerst dachten wir, er vermute wohl, dass wir als ehemalige Westler keine passende Kleidung für einen solchen Anlass hätten. Er belehrte uns aber, dass es sich traditionsgemäss gehört, dass der Gastgeber seine Familie für den grossen Tag mit neuen Kleidern ausstaffiert. Wir waren von dieser Geste tief beeindruckt.

Bei uns gab dieses Thema natürlich viel Gesprächsstoff und wir wollten von unserer Hausangestellten Sandha und unserer Pflegetocher Savida gleich alle Verhaltensregeln wissen, um auch ja nicht in ein Fettnäpfchen zu treten. Dabei lernten wir, dass der Thantri folgendermassen begrüsst wird: man verneigt sich vor ihm, berührt ihm die Füsse, steht wieder auf, faltet die Hände und begrüsst ihn mit "Namaskar". Man geht rückwärts wieder zurück. Nie und nimmer dem Thantri den Rücken zukehren! Nun, das konnten wir uns merken und schauten dem Anlass in fast fiebriger Erwartung entgegen.

Am 6. April, morgens um 03.00 Uhr war Tagwache. Für Savida kein Problem, da sie am Vorabend bereits um 18.30 Uhr im Bett war. Sie war so aufgeregt, dass sie ihren grossen Wecker auf ihrem Kissen haben wollte, um immer wieder auf die Uhr schauen zu können, damit sie "very early" nicht verpasse. Sandha half uns bei der Garderobe und dann konnten wir uns mit dem Auto auf den Weg machen. Savida durften wir mitnehmen, weil Sandha am Vormittag für eine Woche in ihr Heimatdorf fuhr.

Der Thantri traf bereits am Vortag mit seinem Gefolge aus Trichur (nördlich von Cochin) ein. Dr. Gopika stellte ihm sein Elternhaus zur Verfügung, damit der Thantri sich in privater Sphäre seinen Gebeten widmen und sich auf die bevorstehenden Rituale vorbereiten konnte. Der persönliche Koch, der auch in seinem Gefolge angereist kam, musste ihm die traditionellen ayurvedischen und vegetarischen Speisen zubereiten.

Um 05.00 Uhr kamen wir bei Dr. Gopika an. Bevor wir in das Madom, den nach alten traditionellen und in Sanskrit beschriebenen Grundlagen erbauten Ayurveda-Raum eintreten durften, wusch Dr. Gopika Hans und mir die Füsse - eine Geste des Respektes und der Ehrerbietung gegenüber dem Gast. Der Thantri war bereits in seine ersten Gebete vertieft als wir zusammen mit der Familie eintraten - also fiel die uns von Sandha eingetrichterte Begrüssung schon einmal aus! Die Frauen sassen im Schneidersitz auf einer Decke am Boden; Frau Gopika, ihre Mutter und ich hatten je ein Kind auf dem Schoss. Hans durfte auf einem richtigen Stuhl sitzen während die übrigen Männer standen. Wir waren nur etwa 8 Personen. Draussen war es noch ganz dunkel. Wir schauten in das prasselnde Feuer, folgten gebannt den Gesten und der Mimik des Thantris. Im Raum herrschte eine ganz spezielle Stimmung, welche nicht mit Worten zu beschreiben ist. Ich hatte und habe ja immer etwas Mühe, Schwingungen wahrzunehmen und zu spüren, aber diesmal habe ich es sogar gemerkt! Der Thantri sass vor einer mit Ziegelsteinen gebauten Feuerstelle mit Blick gegen Osten, wo die Sonne aufgehen wird. Auf den Ziegeln waren mit Reis- und Turmerikpulver verschiedene Muster gemalt, hier eine Lotosblume und da eine Dekoration, drum herum standen 6 Deepams, die in Südindien traditionellen Oellampen und beleuchteten zusammen mit dem Feuer den Raum. Die Stirn des Thantris war mit heiliger Asche bemalt, genau wie die Zeichnungen auf den Oberarmen. Er trug die Brahmanen-Schnur diagonal über den Oberkörper und mit einen 16 Meter (!) langen dünnen Baumwollstoff umhüllte er seine Taille (zum Vergleich: ein Sari ist 6-8 Meter lang). Im Schneidersitz sass er vor dem Feuer und sagte stumm seine Gebete vor sich hin. Es ist fast nicht mit Worten zu umschreiben, wie der Thantri mit seinen Gesten den Göttern huldigte. Ein wirklich einmaliges Erlebnis, wir waren alle völlig im Bann des Geschehens. Während der Thantri betete, kochte ein Priester hinter uns Frauen auf einer einfachen Feuerstelle diverse Opfergaben. Wie alle Keraliten, lieben auch die Götter "Payasam" über alles, die südindische Schlabber-Dessert-Speise aus Milch, zerlassener Butter, Reis, Cashewnüssen, Weinbeeren und Braunzuc ker. Langsam wurde es draussen hell und die erste Pooja dauerte bis zum ersten Sonnenstrahl, welcher auf die Erde fiel. Die Kinder schliefen uns fast auf dem Schoss ein, während wir immer noch ganz im Banne des Rituals waren. Zum Abschluss der Pooja standen wir alle um das Feuer herum und beteten gemeinsam. Der Priester verteilte jedem einen Löffel voll Payasam auf einem kleinen Stück Bananenblatt und wir bekamen eine schwarze Paste, mit der wir den traditionellen Punkt auf die Stirn malten.

Der Thantri zog sich zurück, der Priester, übrigens ein ganz berühmter ehemaliger Ayurveda-Arzt, traf alle nötigen Vorbereitungen für die nächste Pooja. Nach dem anstrengenden sitzen waren wir froh, etwas die Füsse vertreten zu können und im Gästehaus Tee zu trinken.

Bevor die nächste Pooja um 10.00 Uhr weiterging, hatte Hans noch eine Privataudienz beim Thantri und Dr. Gopika war der Übersetzer, weil der Thantri nur malayalam spricht. Das Gespräch war äusserst interessant und für Hans war es natürlich eine besondere Ehre, als Weisser von einem so hochstehenden Thantri persönlich empfangen zu werden. Doch wie sich später der Thantri gegenüber Dr. Gopika äusserte, war auch er von der Begegnung mit Hans beeindruckt. Normalerweise wird nach einer solchen Einweihung jeder Jahrestag mit einer weiteren Pooja gefeiert, welche aber vom normalen Dorfpriester durchgeführt wird. Am Abend hat der Thantri dann Dr. Gopika versprochen, dass er auch nächstes Jahr gerne wieder kommen werde, um das erste Jahresfest mit uns zusammen zu feiern. Also hat es auch ihm gefallen. Er lebt ganz asketisch und zurückgezogen in seinem Ashram in Trichur. Er ist also keiner jener Thantris, welche in einem Ashram wohnen und reichen Westlern das Geld aus den Taschen ziehen, damit sie in bekannter Manier in einem Rolls Royce durch die Weltgeschichte kutschieren können.

Zur zweiten Pooja-Session waren wir eine Gruppe von etwa 20 Personen, da noch ein paar enge Verwandte dazu kamen. Doch es war immer noch im kleinen und familiären Rahmen. Jetzt war es hell draussen und obwohl die Sonne schien, blieb es im Raum angenehm kühl. Das Feuer war inzwischen erloschen und der Thantri verwendete die übrige Asche für die nächste Pooja. Er sass jetzt vor einem wunderschön gemalten "Mandala", welches der Priester inzwischen mit Reis- und Turmerikpulver am Boden gezeichnet hatte. Auf das Mandala wurden zwei Häufchen Rohreis gestreut, zwei neue Dothis (die später der Thantri und der Priester bekamen), wieder Reis, drei Stäbchen Sandelholz, eine Kokosnuss und eine Handvoll Blumenblüten. Dahinter standen drei Deepams und der Thantri begann wieder mit seinen Gebeten und warf nach jedem Vers einige Blüten auf die Opfergaben.

Der Priester hatte jetzt alle Hände voll zur tun mit seiner grossen Kocherei für das Mittagessen für die Götter. Bis der Thantri fertig war mit seinen Gebeten, hatte der nun als Koch tätige Priester sieben verschiedene Gerichte auf der einfachen Feuerstelle gekocht. Er plazierte alle Töpfe vor den Thantri, welcher die Mahlzeit segnete. Anschliessend sang der Priester mit eintöniger Stimme ein sehr langes Gebet mit unzähligen Versen. Nach jedem Vers warf er eine Handvoll Blumenblüten auf die Opfergaben, so dass die Dothis mitsamt den Kokosnüssen unter einem riesigen Blumenberg verschwanden. Das Ende der Pooja wurde wieder mit einem gemeinsamen stillen Gebet abgeschlossen und jetzt bekamen wir eine rote Paste für einen weiteren "Tupfen" auf die Stirn.

Bald war Mittag und es strömten immer mehr Leute herbei, weil alle auf die offizielle Eröffnung warteten. Wir sassen gemütlich unter einem riesigen Mangobaum, während Savida und die anderen Kinder den Gästen Zitronenwasser reichten. Hans wurde hier jemandem vorgestellt und da gab es ein Small talk - wie gehabt. Wir durften uns aber immer wieder in die Bibliothek zurückziehen, um uns auszuruhen. Mit der offiziellen Eröffnung hatte der Thantri nichts zu tun. Das Deepam, welches wir Dr. Gopika zu diesem Anlass geschenkt hatten, wurde auf einem kleinen Tisch in der Mitte des Raumes aufgestellt und dekoriert. Dr. Gopika zündete einen Docht an, Hans, der Architekt, der Astrologe und ein weiteres Familienmitglied die übrigen. Das war auch schon alles. Keine Reden - nichts.

Alle Gäste wurden nun in einem speziellen für diesen Zweck aufgestellten Zelt hinter dem Haus verköstigt. Wir durften im Esszimmer mit einigen wichtigen eingeladenen Gästen essen. Anschliessend verabschiedeten sich die Leute und es wurde wieder ruhiger. Hans und ich zogen uns zurück in die Bibliothek, denn die nächste Pooja begann erst um 16.30 Uhr. Auf einem Silbertablett wurden sieben Schalen mit den während der zweiten Pooja zubereiteten Opfermenüs angeboten und wir durften von allem kosten. Die Kinder und Frauen schauten unten im Wohnzimmer einen Malayalam-Film und gegen 16.00 Uhr schliefen in verschiedenen Zimmern überall Verwandte und es war ganz still im Haus. Als wir einen kurzen Spaziergang machen wollten, zog ein heftiges Gewitter auf mit Blitz, Donner und starkem Regen. Es strömte sintflutartig als die letzte Pooja im Ayurveda-Madom begann.

Später erfuhren wir, dass der Thantri das Gewitter und den Regen erwartet hatte, denn um etwas Neues zu beginnen, gehört davor ein reinigendes Gewitter und Regen. Wie in der Natur, wo anschliessend alles wieder gereinigt ist und aufblüht, sollte das Gewitter auch ein guter Start für das Ayurveda-Zentrum sein.

Jetzt sass der Thantri in der Mitte des Raumes, mit Blick zur untergehenden Sonne (sofern sie zu sehen gewesen wäre), vor ihm ein reichverziertes "Mandala", welches der Priester inzwischen wieder gemalt hatte. Weisses Pulver aus Reismehl, gelb aus Turmerikpulver, rot aus Chillipulver und dunkelblau oder schwarz aus einem mir unbekannten Kraut. In der Mitte stand ein schönes grosses Deepam, drum herum 4 kleine Deepam. Neben mir am Boden sassen zwei Grossmütter und haben Blüten von Lotus, Jasmin und anderen Blumen für die Pooja abgezupft.

Wieder waren nur die Familie und ein paar wenige Verwandte anwesend. Draussen war es schon ganz dunkel, es regnete und drinnen sassen wir nur im Schein der Deepams, da die einzige Neonröhre, welche den Raum beleuchten sollte, ständig ausfiel, weil die Sicherung immer wieder durchbrannte. Es war wunderschön und wir hielten nochmals volle dreieinhalb Stunden durch! Für den Priester gab es nicht mehr so viel zu kochen, da die Götter anscheinend auch ein leichtes Abendessen bevorzugten und so begnügte er sich mit einem Dessertgericht, von dem wir nach der Pooja alle versuchen konnten. Die Stimmung war wieder so voller Schwingungen und der schönste Teil des Tages war für mich, als ein paar Frauen und die Kinder am Boden sassen um für die Gebete des Thantris die Blütenblätter von den Lotusblumen zu trennen. Alle sassen im Schneidersitz am Boden, waren in ihre Arbeit vertieft. Im Schein der Oellampen sangen der Thantri und der Priester die Gebete. Später schliefen uns die Kinder auf dem Schoss fast ein. Es war eine unbeschreiblich schöne und feierliche Stimmung. So harmonisch und friedlich.

Um 20.00 Uhr war alles vorbei. Der Thantri und der Priester verabschiedeten sich. Aber wieder, ohne dass wir dem Thantri die Füsse hätten berühren müssen. Die beiden sind noch am selben Abend mit dem Bus nach Trichur zurückgefahren, während auch wir uns bald verabschiedeten und heimfuhren.

Das war wirklich ein Tag, den wir nicht so schnell vergessen werden; ein eindrücklicher und eng mit der keralitischen Kultur und der hinduistischen Religion verbundener Anlass, welchen man nur hier in Indien erleben kann - einfach einmalig!!!

Varkala, 7. April 2000

28 June 2006

Eine Ayurvedakurim Geethanjali Ayurveda Madom

Yvonne Muller-Bruderer
kkkkk
wwwwwwwwwwDer folgende Text stammt aus meinem Tagebuch an meine Eltern und beschreibt die Ayurvedakur, welche meine Schwester Karin vom 3. - 21. Juli 2000 im Geet­hanjali Ayurveda Madom gemacht hat.

wwwwwwwwwwZur Vorgeschichte: Karin machte bereits vor zwei Jahren eine 7-Tageskur in einem Ayurveda-Resort in Thekkady. Sie war vom Resultat sehr befriedigt und be­schloss schon damals, für eine intensivere Kur wieder nach Kerala zu kommen. Aufgrund der von uns persön­lich gemachten guten Erfahrungen haben wir ihr das Geethanjali Ayurveda Madom von Dr. Gopika Remanan empfohlen.

wwwwwwwwww4 Wochen vor ihrer Abreise aus der Schweiz musste sie Dr. Gopika ihre Personaldaten inkl. Geburts­datum, Geburtsort und genaue Geburtszeit sowie ihre Krankengeschichte zusenden. Die persönlichen Daten wurden dem Astrologen weitergeleitet, welcher die gün­stigsten Behandlungszeiten errechnete. Die Krankenge­schichte über Karins Knieoperation benötigte Dr. Go­pika zur Vorbereitung der Kur.

wwwwwwwwwwAm 1. Juli 2000 holten wir Karin vom Flughafen Trivandrum ab und brachten sie in unser Haus in Var­kala. Sie sollte sich während zwei Tagen bei uns ausru­hen und von den Reisestrapazen erholen. Es ist für den Patienten sehr wichtig, dass er eine Ayurvedakur ausge­ruht beginnt.

Kurbeginn
wwwwwwww
wwwwwUnd dann kam also der grosse Tag: Montag, der 3. Juli 2000, 06.45 Uhr. Pünktlich und mit einem "Knollen im Magen" (Originalton Karin) fuhren wir vor und wur­den von der Familie Gopika erwartet. Auch für sie war es ein grosser Moment, ihren er­sten ausländi­schen Kurgast willkommen zu heissen. Karin's Zimmer war wirklich hübsch hergerichtet mit dem Medizininal­bett, einer dicken Baumwollmatratze, weil die Wurzel­matratze erst später kommt, hübsch bezogen, ein Tisch mit Stuhl, zwei echte Rosen als Willkommensgruss, ein grosser Schrank und dem kleinen sauberen Badezimmer. Die Bibliothek war schön eingerichtet und der ab­solute Hit ist die wunderbare Dachterrasse. Dort lässt es sich herrlich ru­hen, dösen, le­sen, schreiben und und und...

wwwwwwwKarins Programm begann sofort, damit die "gute Zeit" vor 07.15 noch ausgenützt werden konnte. Ich ging mit ihr in den Konsultationsraum zu Dr. Gopika zur er­sten Untersuchung. Er sah sich ihr Knie genau an, Puls­dia­gnose, Blutdruck messen und Gewicht in das bereits vor­bereitete Patientenblatt notieren. Und schon war es Zeit für die erste Meditation im Madom. Vorher mach­ten wir zusammen eine Pooja (Gebet nach hinduisti­schem Ritus). Dr. Gopika, der Yogaleh­rer, Karin und ich. Den Yogaleh­rer kannte ich bereits, weil er auch Laborant ist und die Blutproben nimmt. Ka­rin sass ihm gegenüber auf einer Matte am Boden, Geetha und ich schauten zu. Er ist ein sehr sympathischer Mann und wir haben gleich den "Draht" zueinander ge­funden. Obwohl Karin noch keine volle Stunde im Geet­hanjali war, konnte sie sich schon voll auf die Meditation konzentrieren und alles drum herum vergessen und los­lassen.

wwwwwwwwZum Frühstück standen für Dr. Gopika, Hans, Ka­rin und mich zur Auswahl Ideli und Sambar oder Toastbrot mit Confi bereit. Ich hatte nicht erwartet, dass sie auch ein europäi­sches Frühstück anbieten. Doch Ka­rin haben die Idelis geschmeckt und nach einer stündigen Ru­hepause war sie natürlich ganz gespannt auf ihre erste Massage.

wwwwwwwwwIch durfte zuschauen, wie sie von Dr. Gopika und Ashan (dem Masseur) behandelt wurde und Sumangala und Sindhu assistierten. 4 Personen für eine General Mas­sage, das ist natürlich ein riesiger Aufwand! Ich war so fasziniert, dass ich gar nicht auf meinem Stuhl stillsit­zen konnte. Ich stand immer um den Massagetisch herum und habe alles aus der Nähe mitverfolgt - es war so faszi­nie­rend! Dr. Gopika hat Ka­rins Knie ganz sorgfältig mas­siert, weil er es selber spüren wollte, was da vor sich ging. Ich habe ihn persönlich noch nie bei einer Massage gesehen, aber er hatte uns davor schon gesagt, dass er Karins Be­handlung nicht einfach dem Massagepersonal über­lassen wolle. Bei ihr müssten verschiedene Faktoren beachtet werden und deshalb wolle er die Arbeit selber machen. Die beiden haben das wunderbar gemacht und auch Karin fand die Massage einmalig. Es ist doch schön, wenn sich 4 Leute um einen kümmern. Sindhu ist die Patientenbe­treuerin und sie ist die Kontaktperson zwi­schen dem Arzt und dem Patienten. Sie hat alle Zei­ten im Griff, holt den Patienten zur rechten Zeit zu den Behandlungen, hilft beim Waschen, bringt die Medizin und kümmert sich um ihn auch nach den Behandlungen. Sie serviert beim Essen, bringt Getränke auf die Dachter­rasse und schaut immer mal wieder vorbei, ob alles in Ordnung ist. Sie ist noch etwas scheu, spricht etwas eng­lisch, aber sie ist sehr nett und macht ihre Arbeit gut.

wwwwwwwwwNach der Massage wurde Karin auch mit einer Pa­ste eingerieben, die noch etwas einwirken musste, dann wurde sie von Sumangala und Sindhu mit Medizi­nalwas­ser gewaschen und es gab das obligate Canni. Auch das schmeckte ihr und sie war total happy. Später durften wir bei einem "local pati­ent" zuschauen, wie eine normale Ge­neral Massage mit den Füssen gemacht wird. Für Karin war es natürlich äusserst interessant zu sehen, wie so eine Massage abläuft. Wenn man selber auf der Matte liegt, bekommt man die Massage aus einer ganz anderen Per­spektive mit. Es war die gleiche Massage, wie Hans und ich sie regelmässig jede Woche geniessen.

wwwwwwwwwUnd schon war der Vormittag vorbei und es gab Mittagessen. Reis, zwei Curries, Pappadam und Salat. Schmeckte prima. Karin und ich assen alleine und später ver­zogen wir uns ins Zimmer während die übrige Familie das Mittagessen einnahm. Karin hatte ihre Koffer ja noch gar nicht ausgepackt. So lag ich also auf dem Bett und Ka­rin hat ihre sieben Sachen verstaut und sich wohnlich ein­gerichtet.

qqqqqqqqqqqqqqDen ganzen Nachmittag verbrachten wir auf der Dachterrasse und Sindhu brachte uns immer wieder Ge­tränke; Wasser, Zitronenwasser gesüsst mit Honig, Ko­koswasser, Kaffee und Nüssli. Wir haben uns mit Geetha unterhalten und sie hat uns viel er­zählt und erklärt. Von ihr erfahren wir immer wieder viele interessante De­tails über die Hindu-Kultur, ihr Le­ben, das Leben der Ange­stellten etc. Und natürlich haben auch Karin und ich viel Zeit für uns gehabt, denn auch wir hatten ja ganz viel zu bereden.

wwwwwwwwwEine solche Einführung ist natürlich ideal und ich werde mich auch für spätere Pati­enten zur Verfügung stellen, mit ihnen den ersten Tag zu verbringen. Das macht alles auch für die Familie Gopika einfacher und sie haben es auch enorm ge­schätzt. Karin war auch froh dar­über und mir hat es Spass gemacht.

wwwwwwwwwKarins Tagesablauf wird in etwa so aussehen: 06.30 Tagwache - 06.30 - 07.00 Meditieren - 07.00 - 07.30 Morgentoilette - Tee trinken - anziehen 07.30 - 08.30 Yoga - 08.30 Frühstück - 10.00 Behand­lung - Canni - ruhen 13.00 Mittag­essen - frei - 15.00 Tee - 17.30 - 18.30 Yoga- und Meditation - 18.30 - 18.50 Be­spre­chung mit Arzt - 19.30 Nachtessen - 21.30 Lich­terlö­schen.


Nach drei Tagen Kur

Gestern haben wir im Geethanjali Karin wieder getroffen. Es gefällt ihr super, sie fühlt sich total wohl, ist hell begeistert von den Behandlungen, geht völlig auf in ihren Yoga- und Meditations-Lektionen und ist rundum happy. Wirklich, sie geniesst ihre Ferien in vollen Zügen und sie fühlt sich als richtiges Familienmitglied. Sie wird auch dementsprechend behandelt und alle sind glücklich. Auch wir sind natürlich froh, dass es ihr so gut gefällt und Familie Gopika hat total den Plausch an ihr. Sie ge­ben sich auch sehr viel Mühe mit Karin und tun alles, um ihren Aufenthalt so schön wie möglich zu gestalten. Sie ist so begeistert vom Yoga- und Meditationsunterricht, dass sie die Übungen auch nach ihrer Rückkehr in die Schweiz weiter machen will. Das Essen schmeckt ihr ausgezeichnet und sie spricht sehr gut auf die Behand­lungen an. Sie nimmt fleissig ihre Medizin, nur mit dem "Ghee" am Abend hat sie so ihre Mühe. Weil das sooo grusig ist zum Einnehmen, bekommt sie danach immer ein kleines Schöggeli als Trostpflaster. Aber ohne Ghee geht's halt einfach nicht. Ihre beiden kleinen Narben am Knie sieht man kaum mehr und sie kann ihr Knie schon viel besser belasten. Aber wenn man von Dr. Gopika und Ashan massiert wird, muss man ja gesund werden! Sie hat inzwi­schen ihre "Wurzelmatratze" bekommen und sie schläft sehr gut darauf. Sie ist aber so dünn, dass es als Unterlage noch eine spezielle Baumwollmatratze braucht. Sonst wäre es einfach zu hart. Aber so geht es wunderbar und sie schläft gut und gesund! Bis am näch­sten Mittwoch wird auch meine Matte hoffentlich fertig sein, so dass ich die beiden Nächte im Geethanjali auch auf der Wurzelmatte testen kann.


Mein Aufenthalt im Geethanjali

wwwwwwwwAm Mittwoch, 12. Juli hatte Hans um 07.00 Uhr in der Früh seine Massage im Geet­hanjali, während ich meine sieben Sachen in meinem neuen Zimmer versorgte und mich dort wie ein Feriengast einrichtete. Ich freute mich riesig auf die Tage mit Karin und auch sie hatte den Plausch, dass ich kam. Ich schaute Karin bei den Yo­gaübungen zu und war total beeindruckt, wie gelenkig sie ist. Da hätte ich nie und nimmer mithalten können. Ihrem Knie ging es ausgezeichnet und sie konnte es bereits voll belasten - ohne Schmerzen!!! Das ist ein voller Erfolg! Sie wird auch daheim mit den Übungen fortfahren, um ihr Knie so zu stärken, dass sie die grosse Kreuzband-Opera­tion umgehen kann. Sie hat ein ganz tolles Ver­hältnis zu ihrem Yogalehrer und die zwei verstehen sich wunderbar. Überhaupt gab es kaum mehr sprachliche Verständigungs­probleme.

wwwwwwwwHans verabschiedete sich am späten Vormittag und mir ging es leider immer schlechter und schlechter. Savida hatte mich mit ihrem Fiebervirus angesteckt. Nach dem Mittagessen hatte ich Fieber und fühlte mich völlig schlapp. Ich habe mit Dr. Gopika gesprochen und ihn ge­fragt, ob Hans mich wieder abholen solle, damit ich Karin nicht auch noch anstecke. Aber er beruhigte mich und meinte, er wolle mich lieber im Geethanjali ku­rieren, weil ich da mehr Ruhe hätte als daheim. So liess ich mich herr­lich verwöhnen, ging am Nachmittag eine Runde ins Bett, ich trank die diversen Medizine und Tränklein, die mal gut, mal weniger gut schmeckten und am nächsten Tag fühlte ich mich schon bedeutend besser. Ich hatte nur noch leichte Temperatur und bis am Abend war das Fie­ber ganz weg. Ich fühlte mich nur noch etwas schlapp, doch auch das bekam Dr. Goüika schnell wieder auf die Reihe. Er hat mir das Fieber immer anhand des Pulses gemessen, wirk­lich unglaublich. Karin und ich hatten in diesen Tagen herrlich Zeit, zusammenzusitzen, zu plau­dern, grössere und kleinere Probleme auszudisku­tieren und die neusten Stories auszutauschen, was man einander per Brief nicht gut schreiben kann und so ver­ging die Zeit ganz schnell.

wwwwwwwNach drei Ruhetagen für Karin, begann ihr zwei­ter Behandlungsteil. Dr. Gopika ging extra zu einem spe­ziel­len ca. 10 km entfernten Tempel und hat dort für Ka­rin eine Pooja ge­macht. Der Priester betete während ihrer Behandlung jeden Tag für Karin und am Schluss durfte sie eine Abschluss Pooja machen. Aber davon später. Diese Pooja war ganz wichtig für Dr. Gopika, weil es sich bei Karin um eine sehr intensive Behandlung han­delte. Sie wird 3 - 4 Jahre wirken und komme einer Ope­ration gleich.

wwwwwwwKarin bekam sieben Tage lang eine ganz spezielle Behandlung um ihre Muskula­tur zu stärken. Speziell für ihr Knie ausgerichtet. 620 Gramm einer speziellen Kräutermischung wurden in 16 Liter Wasser gekocht, bis nur noch 4 Liter Sud übrig blieben! Das heisst, dass von morgens bis abends das Kraut auf einem Holzfeuer gekö­chelt wurde. Am nächsten Morgen wurde in 2 Litern die­ses Suds ein Spezialreis gekocht. Die übrigen zwei Liter wur­den mit zwei Litern Kuhmilch gemischt. Für die 45 mi­nü­tige Behandlung waren 1 ½ Tage Vorbereitung nö­tig - und das jeden Tag! Ein unheimlicher Aufwand. Aber nur so ist die Behandlung wirksam. Zur Behandlung sel­ber wurde der Pappreis in vier Baumwollbeutel abgefüllt und zusammengebunden. Für die Behandlung waren 4 Perso­nen voll beschäftigt. Geetha erwärmte die Reis­beutel im Milch-Kräuter-Sud, Sindhu reichte abwechs­lungsweise ei­nen Beutel an Sumangala oder an Dr. Go­pika, welche die Baumwollbeutel auf Karins Körper massierten. Die Beutel mussten ständig neu erwärmt und ausgetauscht werden, bis der ganze Reisschleim von der Haut aufge­nommen wurde und auch vom erhitzten Sud blieb am Schluss nichts mehr übrig. Es war eine ganz schmierige Angele­genheit, alle standen im Schweiss, wegen den er­hitzten Beuteln und danach waren alle ganz geschafft.

wwwwwwwAn einem Abend sassen wir gemütlich mit der ganzen Familie vor dem Haus und Dr. Gopika erzählte uns verschiedene Geschichten über die indischen Götter. Die Familie ist wirklich sehr nett, alle gehen sehr lieb und respektvoll miteinander um und man spürt die Har­mo­nie.

wwwwwwwwAm Nachmittag verabschiedete ich mich und mein Aufenthalt im Geethanjali war vorbei. Ich fühlte mich wieder gesund, hatte den Tagesablauf getestet und konnte das Zusammensein mit Karin geniessen.


Der Geethanjali-Tag

Am 20. Juli war unser grosser "Geethanjali-Tag". Tagwache war um 03.30 Uhr, Ab­fahrt 04.15 Uhr, im Geethanjali habe ich schnell Karin in einen schönen Ke­rala-Sari eingewickelt und dann fuhren wir mit der gan­zen Familie Gopika zum berühmten Devi-Tempel zwi­schen Trivandrum und dem Flughafen. Um 06.00 Uhr in der Früh war noch nicht sehr viel los und wir konnten uns in Ruhe alles anschauen, Dr. Gopika führte uns überall herum und erklärte uns die verschiedenen Altare. Wäh­rend der Abend-Pooja sei hier ein riesiges Gewimmel von Leuten und dann muss man sich in lange Warte­schlangen stellen. Auch diese Zeit hat sicher ihre Am­biance, wenn man zuschauen kann, wie die Leute an­dächtig beten und wie sie ihre Rituale ma­chen. Wir er­hielten eine Spezialbe­willigung, damit wir als Nichthin­dus überhaupt in den Tempel durften. Am Schalter beim Tempeleingang kauf­ten wir für jeden von uns eine kleine rote Schärpe als Op­fergabe und ein Papier, auf dem un­sere Namen standen und unser "star" (Sternzeichen im Malayalam-Kalender). Auf der grossen Tafel sind alle möglichen Opfergaben und Poojas mit den Preisen auf­gelistet. Da gibt es Sa­chen für 2 Rupies bis zu 1501 Ru­pies. Aber da alles in Malayalam geschrieben war, konnten wir natürlich nichts entziffern. Als jeder sein Blatt und die Schärpe hatten, gingen wir zum grossen Devi-Altar und legten die Opfergabe mit dem Zettel auf die goldenen Stufen. In den nächsten Tagen wird der Priester für uns beten. Dr. Gopika hat in diesem Tempel zu Beginn der 2. Behandlungswoche für Karin eine Pooja ma­chen lassen und jeden Tag hat der Priester extra in Karins Namen gebetet. Am Donnerstag war der Ab­schlusstag und wir duften der Zeremonie beiwohnen. Der Priester sass vor einem kleinen Devi-Altar, vor sich ein rauchendes Feuer und wäh­rend er seine Mantras auf­sagte, warf er Blumenblüten ins Feuer. Am Schluss der 15 minütigen Pooja, übergab Karin dem Priester ihre "donation", eingewickelt in ein Blatt eines speziellen Strauches. Sie bekam dafür eine Paste auf einem Blatt und Blu­menblüten. Die Paste strichen wir uns auf die Stirn. Dazu gab es auf einem separa­ten Blatt "Prasadam", eine spezielle Götterspeise, von der wir kosten durften. Dr. Go­pika führte uns weiter im Tempel herum und er wusste über jede Gottheit eine Ge­schichte zu erzählen. Es herrschte eine wunderbar friedliche Stimmung und wir waren völlig gefangen genommen in dieser Atmo­sphäre.

Beim Hauptaltar haben auch wir unsere "donations" abgegeben und jeder von uns bekam ein Blatt mit einer Paste und auch wieder Prasadam. Wir wa­ren etwa eine Stunde dort, bis wir uns wieder auf den Heim­weg machten.

Zurück im Geethanjali gab es Frühstück und da­nach plauderten wir auf der Dach­terrasse, während die Kinder im Garten spielten. Um 11.00 Uhr gab Ashan, der Mas­seur, im Madom eine kleine Katakali-Vorstellung. Zu den Familienmitgliedern, den Angestellten und uns gesell­ten sich noch ein paar Verwandte und alle sassen am Bo­den auf Reismatten und wir sahen gebannt der Vorfüh­rung zu. Ashan zeigte uns zuerst die 24 "Mudras" (Handstellungen) und dann stellte er ein paar Gemütszu­stände vor: Romance, Aerger, Hero, King, Humor und anderes. Tanzend erzählte er uns eine kleine Geschichte über einen Elefanten, eine Pythonschlange und einen Lö­wen. Da brauchte es wirklich keine Worte, um die Ge­schichte zu verstehen. Als Abschluss tanzte er eine be­rühmte Szene aus einer richtigen Katakali-Vorstellung, welche im Origi­nal 8 Stunden dauert. Das Madom ist der richtige Rahmen für solche kulturellen An­lässe - man spürt die Schwingungen, die Stimmung und die beson­dere Am­biance.

Zum Mittagessen wurden wir mit traditionellen Köstlichkeiten auf dem Bananenblatt verwöhnt und am Nachmittag gab es eine Aussprache zwischen den Ange­stellten und uns dreien. Hans hat die richtigen Worte ge­funden, so dass Karin und ich nicht mehr viel dazu bei­tra­gen mussten. Auch alle Angestellten durften sich zu Wort mel­den und Dr. Gopika hat immer alles übersetzt.

Bis am Abend waren wir frei, die Kinder spielten und Karin und ich waren auf der Dachterrasse. Vor dem Nachtessen gingen wir wieder ins Madom hinüber und dort lauschten wir einem schönen klassischen Konzert von drei Musikern. Eine Violine, eine Trommel und et­was wie eine Maultrommel. Die drei Musiker sassen in der Mitte des Madoms auf ei­nem Teppich. Das Madom wurde nur mit 7 Deepams erleuchtet und im Schein der Oellampen sassen etwa 20 Verwandte und Freunde. Die Kinder schliefen bald in un­seren Armen ein und es herrschte fast wieder die gleiche wunderbare Stimmung, wie damals bei der Einweihung des Madoms, als der Priester seine Man­tras las. Es war so ergreifend schön, dass einem vor Rüh­rung fast die Tränen kamen.

Nach einem feinen Nachtessen verabschiedeten wir uns bald und das hiess auch, uns von Karin zu verab­schieden. Der Tag wurde speziell für sie arrangiert und Dr. Go­pika möchte für alle Gäste aus Europa einen sol­chen Abschlusstag organisieren. Nicht immer so aufwän­dig, aber trotzdem etwas Spezielles, um die Kur im rich­ti­gen Rahmen abzuschliessen.

Der Abschied

Am nächsten Morgen hiess es Abschied nehmen. Dr. Gopika übergab Karin die schriftlich zusammen ge­fassten Angaben über die während der Kur erfolgten An­wendungen und Empfehlungen für das Verhalten wäh­rend und nach der langen Reise zurück in die Schweiz. Karin wurde von der ganzen Familie zum Flughafen be­gleitet und mit den besten Wünschen verab­schiedet. Es wird mit Sicherheit nicht ihr letzter Aufent­halt im Geeth­anjali ge­wesen sein.

Varkala, im Juli 2000
Yvonne Müller

Der grosse Ayurveda Schwindel

Hans Müller
kkkkk
Bei den alternativen Heilmethoden und im Well­nessbereich ist Ayurveda in. Wie Pilze schie­ssen immer mehr sogenannte Ayurveda Centers aus dem Boden und bieten Ayurvedabe­handlungen an. In den meisten Fällen allerdings ohne eine Ahnung da­von zu haben, was Ayur­veda überhaupt ist; Hauptsache, es ist ein neues Reizwort auf dem Gebiet der Gesund­heit. Man muss ja hin und wieder etwas Neues bringen, damit die Kasse klingelt und mit der Gesundheit lassen sich von jeher immer gute Geschäfte machen. Die Marketingleute wollen ihr ein­trägliches Stück vom neuen Kuchen natürlich auch ab­schneiden und so erfinden sie immer neue und trickrei­chere Methoden, um das Produkt Ayurveda möglichst gewinnbrin­gend zu vermark­ten. Dagegen wäre eigentlich nichts einzuwenden, wenn im Falle von Ayur­veda mit der Wahrheit umgegangen würde. Aber es wird immer mehr zu fragwürdigeren Methoden gegriffen und man scheut sich auch nicht, grobe Unwahrheiten mit der grössten Gelassenheit in die Werbung einfliessen zu lassen. Wo­mit kann man denn heute das Publi­kum für eine neuen Gesundheitsmethode scharf machen? Ganz einfach: man behauptet, diese neue Me­thode, eben Ayurveda genannt, könne Krebs und AIDS heilen, sie helfe erfolgreich bei Altz­heimer und Parkinson. Doch wer so etwas behauptet, ist ein Scharlatan.

Was ist denn nun Ayurveda wirklich?

Ayurveda ist eine über 5000 Jahre alte indische Philosophie und heisst übersetzt "Die Wissen­schaft vom Leben". Die Lehre dieser Philosophie geht davon aus, dass der Mensch dann ge­sund ist, wenn Körper, Geist und Seele im Einklang mit dem Univer­sum sind. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle diese Philosophie zu erklären; darüber gibt es reichlich Literatur.

Wie aber bringt man Körper, Geist und Seele in ein ausgewogenes Gleichgewicht ? Verein­facht gesagt gehören zu Ayurveda Yoga, Meditation, natürliche Heil­mittel­kunde, therapeuti­sche Behandlungen mit Medizi­nen und speziellen Massageme­thoden, sowie vegetari­sches Es­sen und natürliches, der Umgebung angepasstes Verhalten. Auch die Astrologie spielt eine ganz wesentli­che Rolle. Ayurveda gibt in erster Linie Anleitungen zur Erhaltung eines gesun­den Körpers und damit zur Errei­chung eines langen und gesunden Lebens bei entspre­chender positiver Einstellung. Und in zweiter Linie hilft Ayurveda als Heilmethode in jenen Fällen, wo das Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele gestört ist.

Das Wissen über Ayurveda wurde in Indien von Generation zu Generation weiterge­geben und von Ge­lehrten in Sanskrit aufgezeichnet. Diese Aufzeichnungen sind relativ spärlich, sie wurden später in Kerala in mala­yalam ergänzt. Ausser in einigen anderen indischen Ge­bieten ist Ayurveda in Kerala am längsten bekannt und wurde in der Neuzeit auch ein Lehrfach an Universitäten. Die Ausbildung eines Ayurve­daarztes dauert 6 Jahre, ge­folgt von 4 Jahren Pra­xis bis er sich einigermassen in Ayurveda auskennt. Der Ayurvedaarzt muss über mehr als 1100 Kräuter, Pflanzen, Wurzeln, etc. Bescheid wis­sen, muss die genauen Bezeichnungen kennen, die Orte, wo diese Rohmaterialien wachsen, welche Wirkungen und Nebenwirkun­gen sie ha­ben, wie und wann sie ge­wonnen werden und wie sie zu Medizinen verarbeitet und natürlich auch wie und wann sie angewandt werden müssen. Er muss die speziellen in Ayur­veda angewende­ten Massagetechniken kennen und auch in der Lage sein, das Massageperso­nal entsprechend anzuweisen. Dass er selber Yoga praktiziert und regelmässig meditiert ist eine weitere Voraussetzung, genau so wie umfassende Kennt­nisse in der vegetarischen Ernäh­rungslehre. Dass auch genaue Kenntnisse der Anatomie, des Muskel- und Ner­vensystems zum Wissen eines Ayurvedaarztes gehö­ren, sei nur der Vollständigkeit wegen erwähnt. Der tradi­tio­nelle Ayurvedaarzt lebt auch nach der alten in den Veden festgehaltenen Lebensweise, was wiederum ei­nen wich­tigen Bezug zur indischen Kultur und zur hinduistischen Religion hat.

Massagepersonal braucht eine dreijäh­rige Ausbildung und praktische Tätig­keit. In Kerala wer­den Ayurveda-Masseure und -Masseusen in speziellen Ayurveda Colleges ausge­bildet und nachher in Ayurveda Spitälern eingesetzt. Von den alten, traditionellen Ayur­veda Arztfamilien gibt es leider nur noch wenige. Die jüngere Ge­neration ergänzt das von den Vorvätern über­mittelte Wissen an den Universitäten und gerät damit un­fehlbar in das kom­merzielle Fahrwasser. Glücklicher­weise gibt es in Kerala noch einige Institute und Spitäler, welche Ayurveda in der ursprünglichen tra­ditionellen Form vermitteln.

Mit der touristischen Entwicklung nimmt nun lei­der auch in Kerala Ayurveda Formen an, welche mit tra­ditionellem Ayurveda nicht mehr viel gemeinsam ha­ben. Hotels oder die immer zahlreicher werdenden Re­sorts kommen ohne Ayurveda-Abteilung nicht mehr aus. Sie ist ein Muss, genau so wie der Swimmingpool. Das Tou­rismus De­partement propagiert neben den einzigarti­gen Backwaters nun auch in vermehrtem Masse Ayur­veda. Nicht unbedingt als Le­bensart und Heilmethode sondern vielmehr als Devisenbringer. Und jeder, der ir­gendwie in seinem Haus oder seiner Hütte noch eine Ecke hat, wo er einen mehr oder weniger für Mas­sage geeigneten Tisch auf­stellen kann, bietet marktschreie­risch Ayurveda an, ohne je eine Ausbildung genos­sen zu haben. Auf den Re­klameschildern findet man auch oft die Namen von Ayur­veda-Doktoren aufgeführt, um dem Etablissement einen seriösen Eindruck zu ver­schaffen. Allerdings haben diese selbst ernannten Doktoren in den seltensten Fällen eine Uni­versität von innen gesehen und so lange sie kei­ner anklagt, passiert ihnen auch nichts. Und die von der Regierung eingesetzten Kontrolleure übersehen halt dann gegen ein angemessenes Schweigegeld den strafbaren Tatbe­stand, der Tango corrupti ist ja in Indien salon­fähig geworden und gehört zum Alltag.

Nach Kerala kommen immer mehr Leute, mei­stens weiblichen Geschlechts, welche sich in Ayurveda ausbilden lassen wollen. Sie besuchen dann gegen gutes Entgelt für zwei bis drei Wochen einen Massagekurs, um „Ayurveda“ zu lernen. Und nach die­ser Ausbildung kehren sie, wohlversehen mit einem Diplom oder einem Zertifi­kat, in den Westen zurück und offerieren dann in ihrem eigenen Etablissement Ayurveda !!!

Und damit ist Ayurveda zu einer simplen Oelmassageme­thode verkommen, welche seit ei­nigen Jahren auch im Westen praktiziert wird. Das dumme an der Sache ist nur, dass diese Oelmassagen unter Verwendung von bil­ligen Oelen und fragwürdigen Zusät­zen zu masslos über­setzten Preisen als Ayurveda angeboten werden, obwohl sie mit Ayurveda gar nichts mehr zu tun ha­ben.

Gegen eine Oelmassage wäre eigentlich an und für sich nichts einzuwenden, so­lange sie von ausgebilde­tem Personal ausgeführt wird und geeignete Oele ver­wen­det werden. Man könnte sie dann bestenfalls unter dem Begriff Wellness anbieten. Und wenn die Kunden bereit sind, die übersetzten Preise zu bezahlen, so kann man dies den Anbietern nicht verargen. Nur eines sollten sie nicht tun dürfen, nämlich ihre Dienste unter der Be­zeichnung Ayurveda anzubie­ten.

Es ist deshalb höchste Zeit, dass Ayurveda nur von ausgebildeten und staatlich ge­prüften Per­sonen an­geboten werden darf. Dann kann man nämlich auch den Schwindlern und Scharlata­nen das Handwerk legen. Eine Klassifizierung der Ayurveda-Institutionen, ähnlich der Hotel-Klassifizierung, kann ebenfalls helfen, die schwar­zen Schafe von den weissen zu trennen. Nur sollte diese vom Staat verordnete Klassifizierung von neutralen und gegen Korruption gefeiten Fachkräften durchgeführt und in unregelmässigen Abständen und unangemeldet kon­trolliert werden.

Ein Vergleich mit traditionellem Ayurveda zeigt, dass die im Westen angebotenen Ayurveda­kuren nur die Bezeichnung "Ayurveda" gemeinsam haben und deshalb mit nur wenigen Aus­nahmen kommerzielle Wellness-Veranstaltungen sind. Traditionelle Ayurveda-Anwen­dungen sind im Westen nämlich gar nicht möglich und zwar aus dem einfachen Grund, weil einerseits die für die Herstellung der Medizine und Oele notwendigen frischen Kräuter und Zutaten gar nicht in der benötigten Qualität gewonnen werden können und anderseits die klimati­schen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Ayurveda gibt es auch nicht in Pillenform. Dazu kommt, dass in den meisten Fällen geschultes und erfahrenes Massage­personal fehlt. Die im Westen praktizierenden Ayurve­daärzte mögen zwar medizinische Grundkenntnisse ha­ben, in traditionellem Ayurveda verfügen aber die we­nig­sten über die notwendige langjährige prakti­sche Erfah­rung. Hauptsache, es lässt sich mit masslos übersetzten Preisen gutes Geld verdienen, so nach dem Motto "Was nichts kostet, ist nichts wert". Also muss auch Ayurveda im Westen teuer sein, um gut zu sein. Selbst wenn es ein Schwindel ist.

Und zuletzt ein Rat an jene Personen, welche eine echte traditionelle Ayurvedakur machen wollen: nehmen Sie sich auf alle Fälle drei bis vier Wochen Zeit für eine Kur und klären Sie vorher ab, ob das von Ihnen gewählte Institut Gewähr für eine echte Ayurvedakur bieten kann. Und bedenken Sie: eine echte und wirksame Ayurveda­kur können Sie nur im Ur­sprungsland Indien machen, Kerala ist dafür am besten geeig­net. Und vor allem müs­sen Sie wissen, dass während einer Kur sonnenbaden, schwimmen, rauchen und Alkohol strikte un­tersagt sind, wenn die Kur eine nachhaltige Wirkung haben und das Immunsystem stärken soll. Eine richtige und traditionelle Ayurvedakur wirkt im Körper bis zu 6 Monate nach. Es ist auch nicht ratsam, dass man Reisen mit Ayurveda verbindet, entweder man macht eine Kur oder aber eine Tour. Wenn man genügend Zeit zur Verfügung hat, emp­fiehlt es sich, zuerst zu touren und am Schluss zu kuren. Nach ei­ner Ayurve­dakur sollte man unbedingt noch min­de­stens eine Woche ausruhen können. Und zu Hause die Empfehlungen des Ayurvedaarztes weiter befolgen, ge­nau so, wie die gelernten Yogaübungen täglich fortzuset­zen, zu meditieren und gesund zu essen. Dann darf man auch hoffen, dass Körper, Geist und Seele im Gleichge­wicht bleiben.

Varkala, im April 2002
Hans Müller

Der Autor lebte von 1996 bis 2006 in Kerala (Südindien) und beschäftigte sich als unabhängi­ger Be­rater mit den kommerziellen Auswüchsen von Ayurveda. Er setzte sich für die Er­haltung und den Schutz des traditio­nellen Ayurveda ein und bemühte sich um die Abgrenzung zwischen traditionellem und kommerziel­lem Ayurveda. Er beriet zahlrei­che Ayurveda-Institutionen in Kerala und führte zusammen mit einem traditionellen Ayurveda-Arzt das Geethanjali Ayur­veda Madom, ein kleines Ayurveda Institut in der Nähe von Trivandrum. An Semi­naren referierte er über Ayurveda im Tourismus.
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